Reisen mit Handicap

Zugegeben,ich verreise nicht oft,wenn ich dann doch mal meine Reisetasche packe gehört jede Menge Aufregung mit in mein Gepäck. Schon Tage im Vorraus bin ich unruhig,eine Mischung aus Angst und Vorfreude begleitet mich stets auf meinen kleinen Reisen.

So richtig weit reise ich eigentlich gar nicht,ich glaube es geht generell darum,meinen Schutzraum Wohnung für ein paar Tage zu verlassen. In meiner Komfortzone Wohnung fühle ich mich am sichersten,kann die Tagesabläufe in etwa überblicken.

Ausserhalb von Wlan-Reichweite,Badezimmer und Schlafgelegenheit sieht die Sache schon anders aus. Meist verreise ich mit der Bundesbahn,ein Abenteuer sondersgleichen.Züge sind überfüllt (dank günstigem 9 Euro Ticket),Toiletten defekt und -worst case-: Zugausfall...

Doch es gibt auch ein paar Tricks,nicht nur für Menschen aus dem Autismusspektrum,wie die Bahnreise etwas einfacher verlaufen kann.

So bin ich gerade von Niedersachsen nach NRW gefahren,diese Strecke zu meinen Eltern fahre ich regelmässig und regelmässig komme ich auch geschlaucht am Ziel an,immerhin.

Meine letzte Fahrt habe ich nicht alleine verbracht,ein sehr lieber Mensch hat mich begleitet,dem Reisen ebenfalls auch Probleme machen kann. Unterwegs jedoch waren wir zwei bestens abgelenkt.Wir haben uns unterhalten,zusammen geschimpft über all die Hindernisse die da natürlich wiedermal gelauert haben.Und soviel sei verraten,wir bekamen das volle Programm. Zugverspätung,Toiletten im Komplettausfall,überfüllter Zug und pampige Mitreisende. Wäre ich alleine gewesen wäre ich nicht so souverän damit umgegangen. Also, mit mehreren verreisen kann helfen .Bei mir ist nur eine Begleitperson angenehm,Gruppenreisen sind mir ebenfalls ein Gräuel.Die Gruppendynamik und die sich daraus entwickelnden Gespräche strengen mich an.

Was kann noch helfen ? 

Von meiner netten Begleitung habe ich geräuschdämpfende Silikon-Ohrstöpsel geschenkt bekommen.In akkustischen Überlastungssituationen eine gute Sache ,ähnlich Noise-Cancelling Kopfhörer.Man kann sich mit ihnen noch gut unterhalten,hört die Hintergrundszene jedoch gedämpfter.Wer gerade keine hat,muss aufs Taschentuch zurückgreifen.

Beim Umsteigen, sollte genügend Zeit vorhanden sein,verlasse ich gerne die oberne Ebene und gehe in die Bahnhofshalle,bzw. vor den Bahnhof. Was ich immer kritisiere sind teure 1 Euro Toilettenanlagen,aber gerade durch diesen Obulus sind sie natürlich auch etwas sauberer.Also,genug Kleingeld einstecken.

Die DB-App navigiert einen halbwegs passabel vom Start zum Zielbahnhof,informiert über Verspätungen und Ausfälle.Es empfiehlt sich Ladekabel bzw.Powerbank parat zu haben.Eventuell ist sogar das Ticket in der App gespeichert .

Lesen kann ich auf Reisen meist nicht,dazu bin ich zu aufgeregt,schlafen geht auch nicht.

Wer früh losfährt hat bessere Chancen auf leere Sitzplätze,das ist nichts neues.Ein weiterer Vorteil sind noch menschenleere Bahnhofsvorplätze und Bahnhofshallen.

Reisen mit Asperger und Zwangsstörung sind für mich nach wie vor Leistungssport.aber diese Tips erleichtern es ein klein wenig. Eine Reise genieße ich seltsamerweise erst immer hinterher.In meiner Erinnerung laufen dann die erlebten Situationen vor meinem inneren Auge ab.In der Situation selbst fühle ich mich unwohl.Für manche Momente scheint mir mein Kopf viel zu langsam ,in anderen Situationen jedoch wieder blitzwach.

Irgendwo dazwischen befinde ich mich heute,als ich diese Zeilen schreibe.Sage und Schreibe zwei bis drei Tage brauche ich ,um mich von einer sechstägigen Reise zu akklimatisieren.

Zuhause angekommen bin ich sehr angespannt und ordne,putze meine gesammte Wohnung um dieser Anspannung Herr zu werden. Nicht allen Aspies fällt Reisen schwer,einige lieben es und stürzen sich in viele Urlaube  ,ich gehöre weniger dazu.

Ich wünsche allen meinen Leserinnen und Lesern eine schöne Ferienzeit ! Ich werde jetzt erstmal ein paar Kurzurlaube machen,in Form von Radtouren.Das ist mir die angenehmste Art zu reisen im Leben und wird sie wohl auch immer bleiben.

In diesem Sinne, bis bald,Euer Tom