Ich denke vor jeder Restauration " Das wird dann aber die letzte sein..." So sagt mein Verstand und der übrigbleibende Platz in meiner Garage.
Doch dann passiert es,meine Augen erblicken ein Inserat ,mit kleinem Foto,und von da an frisst sich dieses alte Schätzlein in mein Gehirn, lässt mich nachts nicht mehr schlafen.
Nach zwei Tagen ,länger habe ich es bisher nicht durchgehalten, rufe ich den Besitzer einfach mal an. Man(n) kann sich ja mal erkundigen, rein interessehalber.
Am anderen Ende der Leitung sind oft Menschen,die diese alten Zweiräder loswerden wollen, aus irgendwelchen Gründen,die mir jedenfalls erstmal egal sind.
Vor zwei Jahren habe ich zwei alte Mopeds von meinem Nachbarn geschenkt bekommen,habe ihm dafür eine Flasche Wein ,die schon ewig in meinem Keller lag,geschenkt.
So einfach ist es jedoch nicht immer.
Ein aufwändiges Projekt war "Charlotte" ,eine vierzig Jahre alte Mobylette aus Hannover.
Mir fiel sie auf, wegen dem Motor mit Bananenauspuff und Keilriemenscheibe,die sich emsig dreht,wenn sie läuft.
So sah sie damals aus :
...und so von hinten ...
Der Besitzer,ein junger Mann erzählte mir am Telefon, daß die Mobylette noch läuft, er aber jetzt etwas "Grösseres" fährt. Für mich durfte Charlotte ihre Eigenarten haben und dazu gehört,daß sie etwas langsam ist. Nun hatte ich leider keine Transportmöglichkeit und so fuhr ich mit Helm,Führerschein und hundert Euro bewaffnet los.Halt ! das Zweitaktöl hätte ich fast vergessen.So kam ich das erste mal in meinem Leben nach Hannover.Vor Ort schnackten wir noch eine Weile über Charlotte,bevor sie dann zu mir kam.Die spannende Aufgabe war nun,die Kiste über alle Strassen, bis nach Hause zu fahren.Wir lernten uns auf dieser Fahrt näher kennen.Mir fiel unterwegs immer mehr auf,was zu restaurieren wäre.Der Zustand war nicht sonderlich stabil, Charlotte war im Laufe der Jahre etwas schlapp geworden und pfiff aus dem letzten Loch.In Nienburg tankten wir auf und es fing an zu regnen.Kurz vor Ende unserer langen Fahrt löste sich eine Rückhaltefeder der Kupplung und ich musste mit der Hand, die sich drehende Scheibe auf die Achse drücken.Mein Handschuh fing fast an zu qualmen. Von da an verstanden wir uns.In den nächsten Tagen fing die Arbeit an.Die Mobylette musste zerlegt werden, jedes Bauteil musste erfasst ,mit den Originalteilen verglichen werden .Rost ,Ölkohle und viel Schmutz musste abgeschliffen und poliert werden.Der Motor ,das Herzstück ,hatte schlechte Kompression und lief unruhig.
Im Internet fand ich viele nützliche Informationen über Charlotte und fing an ,Ersatzteile und Werkstatthandbuch zu bestellen. Ich lernte eine Koryphäe in Sachen Mobylette kennen, ein älterer Herr,aus dem Sauerland.Es macht viel Freude,am anderen Ende der Leitung die Begeisterung und das Wissen,um die Zweiräder mitzuerleben.Eine Nebenwirkung von Zweiradrestauration,ist ,daß sie fast immer mehr Zeit und Geld benötigen,als geahnt.Aber,...es ist ja schliesslich das letzte Mal (denkt man sich dabei).
Wenn alle Teile gereinigt,in Funktion gesetzt oder ersetzt werden konnten ,kann die Montage beginnen.Oft müssen Bauteile nochmals wieder demontiert werden und alles wieder umgestellt werden.Bei einer meiner Restaurationen habe ich erst bei der Montage bemerkt,daß der Rahmen einen Haarriss hatte und somit musste ein neuer,mit neuer Betriebserlaubnis gefunden werden.Es dauerte einige Wochen,in denen ich schlaflos, und am Tiefpunkt angekommen war. Dabei muss ich an die Reklame von Hornbach -Baumärkten denken, "Mach es zu Deinem Projekt..." .An solchen Tagen bin ich nicht mehr von Freunden und Familie wiederzuerkennen,weil ich Panik habe ,ob ich das liebe Stück zu neuem Leben erwecken kann,oder alles umsonst war . Bei Charlotte dauerte es viele Wochen, es waren nochmals neue Ersatzteile aus Frankreich ,und einige Telefonate mit dem Sauerland nötig.
Es war an einem Tag im Oktober, ich hatte einige Liter Gemisch in den Tank gefüllt und versuchte ,Charlotte aus dem langem Schlaf zu befreien.Nach einigen Versuchen, sie hustete am Anfang, konnte der Motor wiederbelebt werden.Hier und da mussten nochmals die Schrauben nachgezogen werden,doch nochmal den Vergaser neu abstimmen und eine neue Zündkerze eingesetzt werden.
So sieht Charlotte nach einigen Monaten ( und Euros) heute aus:
Ein kleines Geheimnis zum Schluss,...ich hab schon wieder in die Zeitung geschaut..