Teil 3...Neue Medikamente...Besser ???
" Der Flur "
Durch die medikamentöse Umstellung hat sich in mir eine neue Seite gezeigt,die mir zwar in meiner Vergangenheit schonmal begegnet ist,aber nun immer mehr Raum in mir einnahm. Angst,dieses so schwer auszuhaltende Gefühl,steigerte sich schon bald zur Panik hoch.
Der Chefarzt dieser Station legte alle Schalter in mir um.
Er balancierte mit neuem Antidepressivum und älteren Neuroleptika herum.
Ich stürzte ab,während er an Geduld und Durchhalten appellierte.
Jede Woche schlug er in der Visite das Buch der chemischen Hexerei auf,meine Krankenakte. Er war der Zauberer,der mich unter seiner Magie abstürzen ließ.
Wirkstoffmengen wurden verdoppelt und verdreifacht,proportional zu meinen Panikattacken.Der Zustand wurde immer schlimmer.
Ich wachte mit der Angst auf,rannte nervös mit meiner Teetasse über die Gänge,durch den Garten,stieg aufs Fahrrad und kam mit noch mehr Angst oft wieder zurück.Schweissausbrüche,Engegefühl in meinem Kopf,bis in den späten Abend hinein,teils auch in die Nacht.
Unter dem Decknamen "medikamentöse Umstellung" fand in meinem Kopf ein schlimmes Spiel statt.Neurotransmitter mussten dort durch alle Areale schiessen,woanders wurden welche geblockt,an jeder Ecke meines Hirns stimmte die Chemie nicht mehr.
Eine ganz toxische Mischung waren Tage,an denen ich auf meiner geheimen Stationswaage im Wäschezimmer feststellte,daß ich wiedereinmal zugenommen
hatte.Essanfälle am Abend und Heisshungerattacken,gepaart mit Psychopharmaka,liessen mich fühlen wie ein Mastschwein.
Ich stieg mit Panikattacken von dieser gefährlichen Waage herunter und der Tag war schon um 6.30 Uhr gelaufen.Es verstand sich natürlich,an diesem Tage so wenig wie möglich zu essen,wodurch das Ungleichgewicht zwischen Hunger und Völlerei immer mehr auseinanderdriftete.
Mir war zwar klar,daß eine Gewichtszunahme für mich nicht so schlimm war,aber die Tendenz zum Zunehmen war für meinen "Kopf" eine einzige Hölle.
Ich sah mich mit dicken Beinen,rundem Gesicht,Jeans in zwei Nummern grösser,innerlich vor mir und war in Selbsthass gefangen.
Das alles geschah in der medikamentösen Umstellung...
6.30 Uhr
Von jenen bösen Mächten,der Medikamente und Gewichtsexplosion wurde mein Zustand immer schlimmer.
Die Panikattacken häuften sich stündlich,besonders in den Morgenstunden rannte ich auf und ab,in jenem Flur.
Stellen Sie sich einen älteren Flur vor,hohe Decke,kaum Tageslicht,viele Türen rechts und links und !:grelle Neonbeleuchtung,verpackt in grössere Milchglaslampen,alle fünf Meter.Hässliche,gelbe,alte Yuccapalme rechts,kleines Telefontischchen links,daneben zwei blau gepolsterte Stühle zum Warten,auf das nächste Arztgespräch.Zimmertüren mit grün und roten Lämpchen darüber,die anzeigen,wo eine Schwester ist (grün) und wo gar nichts mehr geht (rot).Ampeln der Psychiatrie...
Der abgenutzte Industrieteppichboden,der jeden Morgen von einem stinkendem Staubsauger abgesaugt wurde,Wäschewagen,Schilder mit "Nicht Stören" an einigen Türen,das alles war der Schauplatz meiner schwersten Panikattacken.
Der Flur hat sich eingebrannt in mein Hirn,eine tiefe Schneise gerissen.Geruch,das tote Licht,Menschen,die dort jeden Tag arbeiteten wurden Figuren meines täglichen Traumas.An Regentagen,an denen man nicht mit dem Fahrrad oder zu Fuss aus dieser Szenerie flüchten konnte,wuchs in mir die Angst,nie wieder diesen fürchterlichen Ort verlassen zu können.
Die Mitpatienten wurden zu Zuschauern,die mich immer wieder gefragt haben "Hast Du schon wieder Panik",oder "und,wie ist mit dir ?",wie habe ich sie gefürchtet,Akteure in meinen schlimmsten Tagen an diesem Ort.
Der Flur