Die Frage " Wie geht es Dir ?" beantworte ich nur an wenigen Orten ehrlich.An einem dieser Orte war ich vier Wochen lang .
Freiwillig,nicht zwangseingewiesen,wie vielleicht gerne vermutet wird in psychiatriekritischen Kreisen.
Im letzten Satz habe ich verraten wo ich war,aufgefallen ?
Mir fällt so ziemlich alles auf,was auch nur kurze Zeit in meinen Blick fällt,jedoch verlässt im Idealfall das Meiste mein Grosshirn wieder.
Wenn dies nicht der Fall ist, also optische,sensorische Reize,neben sozialen Belastungsfaktoren nicht mehr genügend von mir gefiltert werden können,geht es mir nicht gut,und das ist noch vorsichtig ausgedrückt.
Ohne hier zu tief in die Materie einsteigen zu wollen,so geht es vielen Menschen,Hochsensiblen oder Hochsensitiven umso mehr.
Der Herbst geht in den Winter über,die Lichtintensität lässt nach.
Noch nie habe ich so bewusst wahrgenommen,welche Auswirkungen das auf meinen Schlaf und meine Gefühle hat.
Ich komme morgens nicht mehr gut aus dem Bett,um wie sonst meinen Tagesaufgaben nachzugehen.
In meiner Garage türmen sich Schuhkartons mit Ersatzteilen alter Mopeds,die noch von mir restauriert werden müssen.
Beim Anblick des Kartonstapels auf meiner Werkbank bekomme ich zunehmend Stress und ein sich einschleichendes Chaos offenbart sich mir.
Warum habe ich drei Restaurationen paralell angefangen ?Warum alle Energie mal wieder nur in diesen Teils meines Lebens gepresst ?
Was blende ich hier aus ?...oder gerade ein ?
Du bist ein Chaot,kriegst nichts auf die Reihe...,solche und andere selbstabwertende Sätze häufen sich mittlerweile.
Das sind Probleme ,die sich mir aufdrängen in diesen Herbsttagen.
Vorläufer der 28 Tage,die Eintrittskarte in eine andere Welt,das Tor hinaus aus dieser.
Es entbehrt aller Logik,dass meine Seele sich wohlfühlt,wenn der äussere Rahmen sich in einem gewissen Turnus ändert,von einem eher zurückgezogenem Leben zuhause,zu einem mit Menschen belebtem Alltag.
Ich möchte hier über die Menschen berichten,die sich an jenem so stigmatisiertem Ort finden lassen.
Menschen,die in den Vorstellungen noch Vieler,die sich nie mit dem Thema Seele-psychische Gesundheit befasst haben,gänzlich anders sein müssen.
Bis zu dieser Stelle in meinem Bericht ist noch nicht der Begriff Krankheit erwähnt worden.
Ganz bewusst,denn diese Menschen sind wie Du und ich.
Mir ging es alleine durch die Tatsache besser,dass ich vier Wochen unter ihnen war.
Mit ihnen im Speiseraum, in der Kunsttherapie oder im Fernsehzimmer saß.
Mein Zimmernachbar wäre "draussen",wie wir dort immer sagen,nie aufgefallen,er wirkt
stets humorvoll,hilfsbereit und packt mit an wo er kann. Er glaubt meistens an das Gute im Menschen.
Und genau diese Eigenschaften scheinen ihm zum Verhängnis zu werden,jenseits der Glaskuppel Psychiatrie.
Die immer schnelleren Abläufe im Alltag,die stete Aufmerksamkeit auf Familie,Arbeitsplatz und digitale Medien machen ihm zu schaffen,so sehr,dass er als KRANK bezeichnet wird,
Schwarz auf Rosa,in seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Hinzu kamen Todesfälle innerhalb der Familie,die sein Gleichgewicht gekippt haben.
Hier hat er es mühsam wieder aufgebaut.
In der Psychiatrie wird sich nicht ausgeruht oder auskuriert,sondern weitergelebt und weitergearbeitet,an sich und dem Umgang mit der Umwelt.
Mir hat er interessante Geschichten aus seiner Jugend erzählt,wir sind Kinder der Achtziger Jahre ,mit Neuer Deutscher Welle und Amiga 500 Computer großgeworden.
Zu jener Zeit galten wir noch als "normal", und so komme ich mir auch vor,wenn ich mich mit ihm unterhalte.
Wir lachen und denken zurück an diese Zeit. Wir lachen,aber wissen im Hinterkopf um unsere Wunde,unseren tiefen,dunklen Abgrund,den ich in diesem Blog ja schon ausführlich beschreibe.
Er beschreibt es auch,aber das braucht er gar nicht.
Mittags machte ich Spaziergänge zu einem kleinen See,dazu wäre ich alleine nicht in der Lage gewesen,ohne unterwegs trübe,quälende Angstgedanken zu haben.Ich bin in Begleitung einer Mitpatientin,die mir am ersten Tag schon auffiel.
Auf dem Weg sprechen wir viel über unsere Zeit,die uns hierher geführt hat.
Ich erfahre von einer humorvollen und doch tieftraurigen Frau,wie sehr sie der Verlust von Arbeit und der Tod des Ehemanns ,vor vielen Jahren,nun aus ihrer inneren Mitte geworfen hat.
Das sind Momente im Leben,in denen der Boden unter den Füssen weg ist,in dem plötzlich die Zeit für sie still steht,besonders zuhause,alleine im kleinen Haus .
Idyllisch und schön sieht es auf den Fotos aus,die sie mir zeigt.
Ein gepflegtes,liebevoll renoviertes Haus,doch im Innern herrscht Stille,mehr als Stille,beklemmende Leere.
Sofort denke ich an meine Tage im Winter,in denen ich morgens nicht aufstehen kann,weil ich Angst habe,Angst vor den Aufgaben,vor alltäglichen Abläufen,die in einer inneren Lähmung fast nicht möglich sind.
Die Angst jemandem das zu erzählen,jemandem die innere Welt zu offenbaren.
Hier geht es,an diesem Ort ist es möglich. Nicht um stundenlang darin zu verharren,sondern versuchen,diese Zeit zu überstehen und trotz allem weiterzuleben.
Klappt das auch danach,in einem Zuhause,das uns beiden Angst macht,an diesem Nachmittag ?
Unterwegs fotografieren wir ca.200 Jahre alte Eichen und totes Holz, uns selbst,wie wir hier um den See gehen und uns beinahe verlaufen.
Sobald Menschen eine Gemeinsamkeit haben entsteht
eine Brücke,häufen sich Empfindungserleben,Alltags-
schwierigkeiten in Ähnlichkeit,so ist die Verbindung stärker.
Selbst unterschiedliches Einkommen,sozialer oder ethnischer Herkunftsort spielen nur noch eine Nebenrolle in der Psychiatrie.
Keine Depression ist schöner,keine Angst besser,Modebegriffe wie Burn-Out,zeigen sich schlichtweg als Leid,Depression,auch wenn das Label Burn-Out dafür gesellschaftsfähiger klingt.
Ich nenne Burn-Out,immer die verdiente,sozial-anerkannte Depression,was ich persönlich davon halte ist etwas anderes.Ich hoffe,dieser Begriff verschwindet wieder aus den Medien.
Auch ein materiell völlig abgesichertes Leben bietet keinen Schutz vor seelischem Tiefpunkt. Wohlhabende Menschen verschweigen in der Psychiatrie übrigens oft Suizidversuche,Alkoholkonsum oder Drogenmißbrauch.
Ich schätze diejenigen umso mehr, die offen davon berichten,und die gibt es.
Meine Leidenschaft nehme ich natürlich mit ins Krankenhaus der Seelen.
Nach wenigen Tagen des Ankommens,packe ich Stifte,Pinsel und Farben aus.
Diese Stunden fügen mich auf wundersame Weise wieder zusammen.
Die Ruhe ,den innerseelischen Prozess,der auf der Leinwand stattfindet,findet auch in meinen tiefen Emotionen statt.
Schwarz-Weiss-Kontraste einer Zeichnung,die mich heilen,Farbverläufe,Licht und Schatten,Ausdruck,Sehnsucht,aber auch Angst,alles das findet auf der Bildfläche statt.
Hochkonzentration und Tiefe im Bild sind spürbar für mich,gerade wenn ich reizoffen oder sehr belastet bin.Auch daraus kann Kraft entstehen.Mir ist bewusst ,daß diese ,auf das Detail gerichtete Sichtweise,von mir hier gezielt genutzt werden kann.
Es gibt Patienten und Angestellte der Klinik,die interessiert sind.Ich bin weitaus kein Profi,erzähle aber von meinen Erlebnissen und Erfahrungen beim Malen.
Manche dürfen Zuschauen,gerade das beruhigt sie ,sagen mir viele.
Anfangs konnte ich das nicht Aushalten,mittlerweile kann ich aber auch in öffentlichen Räumen Malen. Es darf nur nicht zu laut sein,oder Streitgespräche stattfinden,auch Gerüche können mich völlig aus der Bahn werfen.
Nicht Wenige haben in der Klinik das Malen und Zeichnen für sich entdeckt,als Ventil für Alltagsstress und Unruhe.
Die Gemeinschaft dieser Menschen ist ein heilbringendes Moment.
So gingen 28 Tage schnell vorbei, Auszeit vom Alltag, Glasglocke,wie man es auch immer nennen mag,mir hat es gut getan.
Malen,Spaziergänge,Gespräche,Probleme klären,Ausruhen,das waren die Heilmittel dieses Monats November.
Die Mitpatienten waren ein entscheidender Faktor dabei.
Auch für sie schreibe ich diesen Artikel und danke damit allen,die diese Zeit mit mir geteilt haben.
Abschied fällt mir grundsätzlich schwer,denn die Situation zuhause ist für alle,die hier waren nun eine völlig andere.
Ich habe Schwierigkeiten den Kontakt zu halten,weil mich das Leben wieder weiterreisst,doch einige Spuren bleiben in mir,einige Worte unvergessen.
So gehe ich am letzten Tag mit meiner Reisetasche durch die Glastür,hinaus in eine andere Welt.
Vielleicht ist die Welt hier draussen irgendwann einmal etwas einfacher und nicht so schrecklich kompliziert wünsche ich mir gerade in solchen Momenten.