...das galt dann wohl auch für mich...
Aussstieg aus meinem Leben zuhause,mit all seinen Zwängen im Gepäck.
Dieses undefinierbare Monster,jene Mischung aus endlosen Ritualen und Selbstkasteiung wog Tonnen (und ich 67 Kilogramm). Das Verhältnis stimmte nicht mehr.Die Fahrt im Zug hätte mich einen hohen Preis gekostet,gerade wegen dieses schwerem Gepäckstückes.So kam ich nicht mit dem Zug,sondern im Notarztwagen nach Osnabrück.
Den Bahnhof betrat ich drei Wochen später,mit keinem guten Gefühl.
Der Zwang wollte mich zurück nachhause holen,zurück zu den Putzorgien und Ordnungsritualen.
Zu den beiden Beurlaubungen,an denen mich die Klinik einen Tag nachhause entließ,stieg ich in dann in den Zug,in einem katastrophalem Zustand.Blitze von Neonröhren,quietschende Bremsen,Geruch von Kaffee,Alkohol und undefinierbaren Aromen,drangen tief in mich hinein.
Ich hatte Todesangst auf der Fahrt.
Zwei solcher Besuche schaffte ich so gerade noch.Die Fahrt dauerte jeweils 75 Minuten,ich war an diesen stressigen Tagen drei Stunden unterwegs.
Die darauffolgenden Wochen veränderten mich komplett,die starke Angst steigerte sich nochmals.Eine Fahrt nachhause,sei es nur für einen Tag,funktionierte nicht mehr.Zudem wurde mir kein Tagesurlaub nachhause mehr gestattet.
Viele Wochen hatte ich die Hoffnung verloren,wieder nachhause zu kommen.
Ich fuhr von der Klinik aus oft mit dem Fahrrad zum Hauptbahnhof,ging auf Bahnsteig vier,von dem Züge nach Bremen fahren,es fuhr jedoch kein Zug für mich.
Mein Leben hatte sich völlig verändert,es gab noch viele Besuche am Bahnhof.
Erst neun Wochen später fuhr ein Zug auch für mich!
Mein Fahrrad passte ins Fahrradabteil,mein schwerer (Zwangs-)Koffer war etwas kleiner geworden und fand endlich Platz im Abteil.Die Angst war riesengroß,aber ich war froh,daß dieses Mal ein Zug für mich vom Bahnsteig vier nach Bremen fuhr.
Ich war wieder Reisender an diesem Bahnhof,trank wieder Kaffee aus dem Automaten,für fünfzig Cent,mit Milch und Zucker.
Bereits vor der Therapie in Osnabrück hat der Bahnhof für mich eine Schlüsselrolle gespielt.
Auf der Fahrt nach Hamburg musste ich 1998 hier umsteigen,um vom Niederrhein nach Norddeutschland zu kommen.Es war die Mitte meiner Reise in ein anderes Leben,
der Wendepunkt.
In der Halle trank ich einen Kaffee mit reichlich Süssstoff,aus zitternder Hand vor Aufregung...
In den folgenden Jahren war der Bahnhof Osnabrück, ein Ort der Vorfreude auf ein Wiedersehen mit meiner Familie.Ich trank wieder einen Kaffee,mal mit Milch,mal mit Zucker,jenachdem,wie sich meine Essstörung gerade bei mir meldete.
Am Kiosk kaufte ich Ansichtskarten oder eine Zeitschrift,meistens die Hamburger Morgenpost,die mich an die Zeit in Hamburg erinnert hat.
Hatte ich Wartezeit auf den nächsten IC nach Dortmund oder Duisburg,so verließ ich die Halle kurz.Von Osnabrück hatte ich jedoch nicht viel gesehen.
Mir fiel der Bahnhofsvorplatz auf, wo gefühlte tausend Fahrräder abgestellt wurden.
Ein Meer aus Fahrrädern,zwischen die sich Taxi und Reisende einen Weg suchen müssen.
(Während des Klinikaufenthaltes 2013, parkte ich dort auch mein Fahrrad,um einen Kaffee zu trinken und mir den Tag herbeizusehnen,an dem es wieder nachhause oder zu meinen Eltern gehen würde.Gefühlt habe ich mich sehr schlecht und dachte,daß ich niemals wieder hierher komme,mit einem schönen Gefühl,mit Vorfreude auf ein Wiedersehen mit meinen Eltern.)
In der Ergotherapie hatte ich dieses Bild gemalt.Es soll die Ankunft bei meinen Eltern zeigen,wie ich meinen Koffer auspacke,in "meinem" Gästezimmer sozusagen.
Die Rückreise war leider nicht immer schön,manchmal war ich traurig,ein anderes Mal hatte ich mich auf den nächsten Besuch gefreut.
Das alles bedeutet Bahnhof Osnabrück für mich.
Um den Bahnhof zu zeichnen fehlte mir ein Foto.Auf den Postkarten war er meist nur als kleiner Teil der Karte zu betrachten.Internet und Drucker hatte ich auch nicht zur Verfügung.
Es gibt einen DB-Servicepoint,in dem ich nach Prospekten oder Fahrplänen Ausschau hielt,wo eventuell ein Foto vom Bahnhof zu finden war.Fehlanzeige.
Schliesslich sprach ich den netten Herrn am Schalter an,der daraufhin für fünf Minuten die Theke verliess und mir,sehr zur Freude,einen Farbausdruck des Bahnhofes gab.
Es war eine ca.fünf Jahre alte Aufnahme,auf der wenige Reisende zu sehen waren,aufgenommen,vielleicht am Sonntag.
Hier endet die Geschichte von Osnabrück 2013,es war eine ganz wichtige Station in meinem Leben.Es war ein Stück Lebensveränderung.Mittlerweile bin ich dann wohl auch vierzig geworden.....