November,Trauer und Kreativität



In unserem Kulturkreis gibt es glaube ich kaum einen Monat,der so sehr mit
Tod,Abschied und Trauer verknüpft ist wie der November.
Seltsamerweise mag ich den November,den Teil des Herbstes,in dem die Natur ihre
Lebenskräfte zurücknimmt bis tief in die Wurzeln.
Ich erlebe diese Zeit stiller,gedämpfter. Das Licht flutet nicht mehr so auf mich ein wie
etwa im Sommer und die kürzesten Tage des Jahres sind mir wie durch ein Wunder
angenehm.
Bin ich deshalb unnormal ?
Meine Ruhe,den Kontakt zu mir selbst,kann ich auf Friedhöfen am ehesten herstellen.
Auch ich bin traurig und denke zurück an schöne Zeiten und dass diese nicht zurückzuholen
sind.
Im Alltag,im täglichen Abhetzen und Stress mit der Aussenwelt,sind Friedhöfe für mich 
wie ein Erholungsort.
Ich nehme dafür gerne in Kauf,dass ich traurig werde oder daran erinnert werde,dass auch mein Leben endlich ist.
Routinen und täglich möglichst gleiche Abläufe geben mir viel Sicherheit .
Umso schlimmer sind Veränderungen und zu denen gehört auch Abschied.
Dann leide ich sehr,mehr als nach aussen sichtbar ist ,meist in stillen Winkeln des Lebens.
Mittlerweile spüre ich,dass ich mir Zeit für Trauer nehmen möchte.
Unterdrücke ich sie zu lange,dann fühle ich mich gestresst oder körperlich schlecht.
Ich bewundere Menschen,die von sich sagen können " Ich bin traurig ".
In der modernen Zeit gehört das scheinbar nicht mehr zum Menschsein dazu.
Umgeben von Wlan-Stützpunkten,ständiger Berieselung durch Medien bleibt keine Zeit
mehr zum FÜHLEN.
Das Leben gibt einem jedoch Momente,wo es einen ausbremst,mit Tatsachen konfrontiert,
die man nicht möchte.
Ich persönlich glaube,menschliches Leid kann nicht vermieden werden in seiner Existenz.
Oft stellen Aussenstehende sich die Frage,woraus das Leid des Betroffenen denn besteht,
warum gerade jetzt ?Was ist passiert ?
Manchmal ist nichts passiert,aus der Tiefe des Fühlens kommt eine Bandbreite an möglichen Emotionen.
Abschied und Trauer brauchen Zeit und Orte,um verarbeitet zu werden.
Das sieht bei jedem anders aus,sogar Wut und Aggressivität können dazu gehören.
Die gefühlte Welt erscheint mir seit meiner Kindheit als zu intensiv,zu schnell,um adäquat verarbeitet zu werden.
Ich hinke hinterher, versuche alle Unsicherheit und Anspannung dabei zu regulieren.
Stört man mich dabei,werde ich innerlich wütend oder kann so gestresst werden,bis Tränen fliessen.
So würde ich den Autismus beschreiben.
Abschied hat noch eine andere Seite,einen befreienden Teil.
Abschied bedeutet auch Loslassen,Aufbrechen zu Neuem,so viel Angst es auch bedeutet.
Im Nachhinein verstehe ich sehr gut,warum mir das Leben gerade diese oder jene
Aufgabe gestellt hat.
All die Angst auf diesem Weg konnte ich am besten mit Kreativität bearbeiten.
Kreativität würde ich als Weg bezeichnen,eine neue Aufgabe zu bewältigen.
Sie ist in uns verankert,immer präsent,wie Hunger und Durst.
Unabhängig von allen Äusserlichkeiten gibt es einen unzerstörbaren Teil .
Der kreative Prozess setzt sich gerade bei Abschied und Trauer fort,erschafft neue Blickwinkel.
So sehe ich im Tod die Vollendung des Lebens,mit Neuanfang eines anderen kreativen Prozesses.
Ich glaube ohne die Angst und Unsicherheit VOR dieser Aufgabe wäre Leben beliebig.
Es würde die Schwingung der Seele wegfallen,es wäre dann kein Prozess mehr zu erkennen.
So nehme ich Abschied von diesem Sommer und bin dankbar dass ich heute wieder neue Aufgaben bekomme.
Ich freue mich über die Begegnungen genauso wie die stillen Momente.
Ein anderes Leben wäre mir unvorstellbar.
Vielleicht ist für andere unvorstellbar,dass Friedhöfe mir Kraft geben.
Sie bieten die Gelegenheit sich sanft mit sich selbst und anderen zu spüren.
Die Verstorbenen sind bei einem,sie dringen aber nicht in einen ein.
Sie bieten die Chance auf Versöhnung,Freude,Trauer und auch Hoffnung.
Ganz alleine scheine ich nicht zu sein,denn die Gestaltung der Grabstellen ist letztendes ein Bewältigungsmechanismus,mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten.
So ist auch hier Kreativität spürbar,die jedoch in der Öffentlichkeit eher ungern gesehen,lieber verdrängt wird.